Zum Jahresende werfen wir einen Blick zurück auf ein spannendes Jahr und fassen die wichtigsten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in chronologischer Reihenfolge zusammen:
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Sozialplanabfindung und Stichtagsregelung
BAG, Urteil vom 20.01.2024 – 1 AZR 62/23
Das BAG bestätigte die Zulässigkeit einer Stichtagsregelung in einem Sozialplan, die Mitarbeiter ausschloss, deren Arbeitsverhältnisse nach einem bestimmten Datum begründet wurden. Ein Kläger, der erst nach einer Verzögerung der geplanten Betriebsschließung eingestellt worden war, sah darin eine unzulässige Benachteiligung gemäß § 4 Abs. 2 TzBfG.
Das Gericht betonte jedoch, dass die Differenzierung sachlich gerechtfertigt ist: Sozialpläne sollen wirtschaftliche Nachteile der ursprünglichen Belegschaft abfedern, die direkt von der Schließung betroffen war. Arbeitnehmer, die erst nach Bekanntwerden der Stilllegung eingestellt wurden, konnten solche Nachteile nicht erleiden. Die Stichtagsregelung entsprach somit dem Zweck des Sozialplans und war rechtlich nicht zu beanstanden.
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Betriebsübergang und Widerspruchsfrist
BAG, Urteil vom 21.03.2024 – 2 AZR 79/23
Das BAG stellte klar, dass die einmonatige Widerspruchsfrist bei einem Betriebsübergang (§ 613a Abs. 6 BGB) auch dann beginnt, wenn die Unterrichtung des Arbeitnehmers Fehler enthält, diese jedoch keine wesentliche Bedeutung für seine Entscheidung über den Widerspruch haben.
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Anscheinsbeweis bei Kündigungen per Einwurf-Einschreiben
BAG, Urteil vom 20.06.2024 – 2 AZR 213/23
Das BAG führte aus, dass bei Kündigungsschreiben, die per Einwurf-Einschreiben durch die Deutsche Post zugestellt werden, der sogenannte Anscheinsbeweis gilt: Briefe werden zu den üblichen Zustellzeiten als zugestellt angesehen.
Ein Arbeitnehmer, der behauptet, die Kündigung erst später erhalten zu haben, muss dies detailliert und konkret darlegen. Eine bloße Behauptung – wie sie im vorliegenden Fall erhoben wurde – reicht nicht aus, um den Anscheinsbeweis zu widerlegen.
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Schadensersatz wegen fehlender Bonusvereinbarung
BAG, Urteil vom 03.07.2024 – 10 AZR 171/23
Arbeitgeber sind verpflichtet, mit Arbeitnehmern ernsthafte Verhandlungen über Bonusziele zu führen, bevor sie diese einseitig festlegen. Im Fall erhielt ein Arbeitnehmer Schadensersatz, da sein Arbeitgeber ohne Verhandlung einseitig Bonusziele vorgab.
Das BAG stellte klar: Arbeitnehmer müssen aktiv Einfluss auf Zielvereinbarungen nehmen können. Einseitige Vorgaben sind nur erlaubt, wenn Verhandlungen nachweislich gescheitert sind. Das Urteil stärkt somit die Rechte von Arbeitnehmern bei Zielvereinbarungen und erhöht die Transparenzpflicht von Arbeitgebern.
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Feiertagszuschlag richtet sich nach dem regelmäßigen Arbeitsort
BAG, Urteil vom 01.08.2024 – 6 AZR 38/2
Das BAG entschied, dass der Anspruch auf Feiertagszuschläge vom regelmäßigen Arbeitsort des Arbeitnehmers abhängt. Im vorliegenden Fall arbeitete der Kläger üblicherweise in NRW, nahm aber an Allerheiligen (Feiertag in NRW, nicht in Hessen) an einem Lehrgang in Hessen teil.
Der Arbeitgeber verweigerte die Feiertagszuschläge mit Verweis auf den Lehrgangsort. Das BAG stellte jedoch klar, dass der regelmäßige Arbeitsort des Klägers in NRW maßgeblich ist und ihm daher die Zuschläge zustehen. Dieses Urteil korrigierte die Vorinstanzen und stärkt Arbeitnehmerrechte bei Dienstreisen in andere Bundesländer mit abweichenden Feiertagsregelungen.
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Schmerzensgeld für rechtswidrige Überwachung
BAG, Urteil vom 29.10.2024 – 8 AZR 225/23
Das BAG entschied, dass eine Detektivüberwachung ohne konkrete Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers rechtswidrig ist und gegen die DSGVO verstößt.
Im Fall erhielt ein Arbeitnehmer Schmerzensgeld, da sein Arbeitgeber ihn ohne triftigen Grund überwachen ließ. Das Urteil stärkt die Datenschutz- und Persönlichkeitsrechte von Arbeitnehmern und macht deutlich, dass Überwachungsmaßnahmen nur bei objektiven Anhaltspunkten zulässig sind.
Mit diesen richtungsweisenden Entscheidungen neigt sich ein ereignisreiches Jahr dem Ende zu.
Autor dieses Beitrags:
RA Christian Michels

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