LAG Niedersachsen, Beschluss v. 28.02.2024 – 13 TaBV 40/23
Betriebsratsmitglieder genießen zwar besonderen Kündigungsschutz, doch dieser ist nicht grenzenlos. Ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen (LAG Niedersachsen, Beschluss vom 28.02.2024 – 13 TaBV 40/23) verdeutlicht, dass korrekte Arbeitszeitdokumentationen und die strikte Trennung von betriebsrätlichen Aufgaben und privaten Aktivitäten essenziell sind.
Der Fall: Betriebsratsarbeit oder private Auszeit?
Ein freigestellter Betriebsratsvorsitzender wurde zu einer mehrtägigen Fortbildungsveranstaltung entsandt. Während andere Mitglieder des Betriebsrats an den Programmpunkten teilnahmen, verbrachte der Vorsitzende einen Tag außerhalb des Veranstaltungsortes, um sich mit seiner geschiedenen Ehefrau zu treffen. Dennoch meldete er Arbeitszeiten an den Arbeitgeber und gab an, während dieser Zeiten Betriebsratsaufgaben erledigt zu haben. Der Arbeitgeber sah darin einen Fall von Arbeitszeitbetrug und beantragte die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung. Als der Betriebsrat die Zustimmung verweigerte, wandte sich der Arbeitgeber an das Arbeitsgericht, das die Zustimmung schließlich ersetzte.
Die Entscheidung
Das LAG Niedersachsen entschied zugunsten des Arbeitgebers: Die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung war zu ersetzen, da der vorsätzliche Arbeitszeitbetrug des Betriebsratsvorsitzenden eine schwerwiegende Pflichtverletzung darstellte.
Wesentliche Punkte des Urteils waren:
- Pflicht zur korrekten Arbeitszeitdokumentation: Auch freigestellte Betriebsratsmitglieder müssen ihre Arbeitszeiten ordnungsgemäß dokumentieren (§ 241 Abs. 2 BGB).
- Kein Beurteilungsspielraum bei Privataktivitäten: Das Treffen mit der Ex-Frau wurde als private Aktivität eingestuft und nicht als erforderliche Betriebsratstätigkeit (§ 37 Abs. 2 BetrVG).
- Arbeitszeitbetrug als schwerwiegender Verstoß: Der vorsätzliche Betrug – auch bei vermeintlich geringen Zeitwerten – stellt eine schwerwiegende Pflichtverletzung dar, die eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigt.
Praxisrelevanz
Das Urteil zeigt klar: Auch Betriebsratsmitglieder stehen nicht über arbeitsrechtlichen Grundregeln. Arbeitszeitbetrug wird von den Gerichten streng geahndet, da ein Vertrauensbruch als besonders gravierend gilt. Selbst langjährige Betriebszugehörigkeit oder eine Nähe zum Renteneintritt können eine Kündigung in solchen Fällen nicht verhindern.
Fazit
Betriebsratsmitglieder genießen einen hohen Kündigungsschutz, doch dieser endet bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen wie z.B. dem Arbeitszeitbetrug. Auch scheinbar geringfügige Verstöße können weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen.
Hinweis: Arbeitnehmer sollten stets darauf achten, ihre Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, insbesondere bei Betriebsratstätigkeiten. Unklare Situationen oder Fehlzeiten sollten rechtzeitig offen kommuniziert werden, um Verdachtsmomente zu vermeiden.
Autor dieses Beitrags:
RA Christian Michels
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