LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 05.11.2020, Az.: 5 Sa 167/20
Der Fall:
Ein Mitarbeiter war seit dem 01.05.2018 als Außendienstmitarbeiter bei einem Fachgroßhandel für Farben, Lacke, Tapeten und Bodenbeläge zu einem Bruttomonatsgehalt von 4.000,00 € beschäftigt. Der Arbeitgeber kündigte ihm mit Schreiben vom 14.09.2019 ordentlich fristgerecht zum 15.10.2019.
Gegen diese Kündigung erhob der Mitarbeiter eine Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Trier.
Im Prozess begründete der Arbeitgeber die Kündigung mit Leistungsmängeln.
In den vier Monaten vor der Einstellung des Mitarbeiters habe die Firma einen Gesamtumsatz von 114.683,73 € erzielt. Diesen Umsatz habe der Arbeitgeber ohne Außendienstmitarbeiter in dem Gebiet erzielt, das dem Mitarbeiter ab dem 01.05.2018 übertragen worden sei. Der Mitarbeiter soll dann im Folgejahr – in vier Monaten – vom 01.01. bis 30.04.2019 einen Gesamtumsatz von nur 105.400,86 € erzielt haben. Auch nach einer Einarbeitungszeit von 8 Monaten habe sich keine Besserung eingestellt.
Hintergrund:
Da im Betrieb des Arbeitgebers mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt waren und der Mitarbeiter im Zeitpunkt der Kündigung schon länger als 6 Monate beschäftigt war, hatte er Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz. Der Arbeitgeber benötigte für die Kündigung einen Grund. Das Kündigungsschutzgesetz kennt nur drei Kündigungsgründe:
- Kündigung aus dringenden betrieblichen Gründen (betriebsbedingte Kündigung)
- Kündigung aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers (personenbedingte Kündigung)
- Kündigung aus Gründen des Verhaltens des Arbeitnehmers (verhaltensbedingte Kündigung)
Da der Mitarbeiter rechtzeitig innerhalb der 3 Wochen – Frist die Klage erhoben hatte, musste der Arbeitgeber das Arbeitsgericht vom Vorliegen mindestens einer dieser Gründe überzeugen.
Die Entscheidung:
Das Landesarbeitsgericht in Mainz hat die Entscheidung des Arbeitsgerichts Trier bestätigt: Die Kündigung war unwirksam.
Das LAG hat in seiner Entscheidung lehrbuchhaft dargestellt, unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber eine Kündigung auf Leistungsmängel stützen kann:
Eine solche Kündigung kann entweder als verhaltensbedingte oder als personenbedingte Kündigung gerechtfertigt sein.
Eine verhaltensbedingte Kündigung setzt voraus, dass dem Arbeitnehmer eine Pflichtverletzung vorzuwerfen ist.
→ Frage: Will der Arbeitnehmer nicht leisten, obwohl er könnte?
Eine längerfristige deutliche Unterschreitung der durchschnittlichen Arbeitsleistung kann ein Anhaltspunkt dafür sein, dass der Arbeitnehmer weniger arbeitet, als er könnte. Eine verhaltensbedingte Kündigung wegen Leistungsmängeln setzt aber immer eine Abmahnung voraus, damit der Arbeitnehmer eine faire Chance zur Verbesserung seiner Leistung hat. Der Arbeitgeber hatte hier aber keine vorherige Abmahnung ausgesprochen, so dass eine verhaltensbedingte Kündigung schon daran gescheitert ist.
Im Anschluss hat sich das LAG mit den personenbedingten Gründen beschäftigt.
→Frage: Kann der Arbeitnehmer nicht leisten, obwohl er will?
Eine personenbedingte Kündigung kommt in Betracht, wenn über längere Zeit deutliche Leistungsdefizite gegenüber einer durchschnittlichen Leistung vorliegen und auch für die Zukunft mit einer schweren Störung zwischen Leistung (Arbeit) und Gegenleistung (Vergütung) zu rechnen ist.
Hier hat das LAG die Kündigung daran scheitern lassen, dass a) der Mitarbeiter ja nicht völlig erfolglos war, sondern wenn überhaupt nur weniger erfolgreich als erwartet und b) der Arbeitgeber nicht alles getan hat, um den Mitarbeiter wieder „in die Spur“ zu kriegen, z.B. durch Schulungen, Unterstützung erfahrener Kollegen, etc.
Fazit:
Eine Kündigung wegen Leistungsmängeln ist für Arbeitgeber ein extrem schweres Unterfangen. Hier liegen oft die Erwartungen des Arbeitgebers und die juristische Realität weit auseinander.
Das Problem fängt schon damit an, dass der Arbeitnehmer nur eine durchschnittliche Leistung schuldet.
In einem Kündigungsschutzprozess muss der Arbeitgeber auf der ersten Stufe also erstmal darlegen und beweisen, dass eine erhebliche Unterschreitung der Durchschnittsleistung vorliegt.
Nach der Rechtsprechung des BAG ist ein Arbeitnehmer dann ein sogenannter „Low Performer“ wenn er über einen längeren Zeitraum durchschnittlich weniger als 66 % Leistung erbringt als ein vergleichbarer Arbeitnehmer.
Und hier fehlt es oft ganz einfach an geeigneten Vergleichsmaßstäben und einer nachvollziehbaren Dokumentation. Was „längerer“ Zeitraum bedeutet, ist auch nicht greifbar: Hier kann es z.B. bei Beschäftigten mit langer Betriebszugehörigkeit zu völlig unterschiedlichen Bewertungen kommen als bei Beschäftigten, die erst kurz dazu gehören und schon von Anfang an „auffällig“geworden sind.
In einem zweiten Schritt stellt sich dann noch die Frage nach der Ursache der Leistungsmängel: Beruht die Abweichung von der Durchschnittsleistung auf einem steuerbaren Fehlverhalten (→will nicht) oder auf persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten (→kann nicht)?
Zwar nehmen die Gerichte bei derart starken Abweichungen von der Normalleistung an, dass der Arbeitnehmer nicht leisten will; dann befindet man sich im Bereich der verhaltensbedingten Kündigung, die stets eine Abmahnung voraussetzt. Diese Annahme kann aber vom Arbeitnehmer entkräftet werden, wenn er darstellt, dass er trotz aller Anstrengungen keine bessere Leistung erbringen konnte.
Will der Arbeitgeber aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers kündigen, muss er zusätzlich darstellen, dass er alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat um die Leistungsdefizite auszumerzen. Und was das im Einzelnen für Möglichkeiten sein können bzw. müssen ist eine Frage des Einzelfalls.
Autor dieses Beitrags:
RA Christian Michels
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