Urt. v. 29.10.2024 – 8 AZR 225/23
In einem Urteil hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass Arbeitgeber einen Detektiv nur bei konkreten Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit eines Mitarbeiters zur Überwachung einsetzen dürfen. Liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte vor, ist die durch den Detektiv dokumentierte Beobachtung eine unzulässige Verarbeitung von Gesundheitsdaten und verstößt gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Ein solcher rechtsgrundloser Eingriff kann zu einem Anspruch des Arbeitnehmers auf Schmerzensgeld führen, wie das BAG in seinem Urteil vom 29.10.2024 feststellte (Az. 8 AZR 225/23).
Hintergrund des Falls
Ein Vertriebsmitarbeiter, der 2022 nach einer Änderungskündigung und Versetzung krankgemeldet war, geriet in Verdacht, seine Arbeitsunfähigkeit vorzutäuschen. Der Arbeitgeber, der von vorherigen Konflikten beeinflusst war, engagierte daraufhin eine Detektei zur Beobachtung des Arbeitnehmers. Der Detektiv dokumentierte verschiedene Alltagsaktivitäten, wie Einkäufe und handwerkliche Tätigkeiten, sowie Einzelheiten zu seinem Gang und fertigte Fotos an.
Nach Einsicht in das Überwachungsprotokoll forderte der Arbeitnehmer Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 Euro wegen der unzulässigen Verarbeitung seiner Gesundheitsdaten. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf sprach ihm eine Entschädigung von 1.500 Euro zu, da der Arbeitgeber keine ausreichenden Zweifel am ärztlichen Attest geltend gemacht und den Mitarbeiter nicht vorab angehört hatte.
Entscheidung des BAG
Das BAG bestätigte das Urteil des LAG Düsseldorf und stellte klar, dass eine Detektivüberwachung nur in Fällen gerechtfertigt ist, in denen objektiv begründete Zweifel am Beweiswert eines ärztlichen Attests bestehen. Fehlende Anhaltspunkte oder bloße Mutmaßungen rechtfertigen eine solche Maßnahme nicht. Selbst bei gekündigten Mitarbeitern muss das Verhalten des Arbeitnehmers klare Anzeichen für eine Arbeitsunfähigkeitstäuschung liefern, beispielsweise eine Krankmeldung exakt bis Vertragsende mit unmittelbar anschließender Beschäftigungsaufnahme eines neuen Arbeitsverhältnisses.
Laut BAG stellte die Dokumentation der Überwachungsdaten eine unzulässige und rechtswidrige Verarbeitung sensibler Gesundheitsdaten dar, die das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers verletzte. Die DSGVO sieht in diesen Fällen eine Entschädigung vor, weshalb der Kläger aufgrund des Kontrollverlustes über seine persönlichen Daten Anspruch auf Schmerzensgeld hatte.
Fazit
Mit diesem Urteil schränkt das BAG die Voraussetzungen für eine rechtmäßige Mitarbeiterüberwachung bei Verdacht auf Arbeitsunfähigkeitsbetrug ein. Arbeitgeber müssen vor dem Einsatz privater Detektive klare Anhaltspunkte für eine vorgetäuschte Erkrankung haben und die Interessen des Arbeitnehmers wahren, insbesondere im Hinblick auf dessen Persönlichkeits- und Datenschutzrechte.
Autor dieses Beitrags:
RA Christian Michels
Ich berate Sie als Fachanwalt für Arbeitsrecht in folgenden Bereichen:
- Kündigungsschutz
- Fristgerechte und fristlose Kündigung
- Betriebsbedingte / krankheitsbedingte Kündigung
- Aufhebungsvertrag
- Kündigung / Abberufung von Geschäftsführern
- Sozialplan und Interessenausgleich
Rufen Sie unverbindlich an: