H&M streicht 800 Stellen.

Stellenabbau bei H&M. Allein in Deutschland sollen 800 Arbeitsplätze betroffen sein.

Der Business Insider berichtet:

Der geplante Stellenabbau bei H&M soll zunächst durch Aufhebungsverträge im Rahmen eines Freiwilligenprogramms realisiert werden. Dieses richtet sich offenbar vorrangig an junge Mütter,  langzeitkranke Beschäftigte und Schwerbehinderte.

Sollte das Angebot nicht angenommen werden, würden betriebsbedingte Kündigungen folgen; so laut Business Insider die Drohung der Geschäftsführung.

Wie ist dieses Vorgehen aus arbeitsrechtlicher Sicht zu bewerten?

Aufhebungsvertrag vs. Kündigung

Der Versuch über Aufhebungsverträge den Stellenabbau bei H&M zu bewirken leuchtet ein, wenn man sich den Unterschied zu einer Kündigung vor Augen hält:

Eine Kündigung beendet ein Arbeitsverhältnis erst dann, wenn die Wirksamkeit der Kündigung gerichtlich festgestellt wird. Das kann mitunter Jahre dauern und ist für H&M mit immensen Risiken behaftet. Wie das Arbeitsgericht oder in zweiter Instanz das Landesarbeitsgericht entscheidet ist nämlich völlig ungewiss.

Ein Aufhebungsvertrag beendet ein Arbeitsverhältnis einvernehmlich und vor allem rechtssicher. Gegen einen Aufhebungsvertrag bestehen keine Rechtsmittel. H&M spart sich Zeit, Risiken und vor allem Kosten für Anwälte und kann einen Haken setzen.

Die einzige Voraussetzung: Die beschäftigte Person muss ihre Unterschrift leisten. Denn es gilt die gesetzliche Schriftform nach § 623 BGB.

Um den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Sache schmackhaft zu machen, werden Abfindungen angeboten. Wie kolportiert wird, stehen wohl 1 Gehalt pro Beschäftigungsjahr im Raum und für jedes unterhaltsberechtigte Kind zusätzlich 1.000 Euro. Schwerbehinderte sollen 2.500 Euro extra bekommen. Hinzu kommen noch Zahlungen, wenn die Angestellten vor Ende der jeweiligen Kündigungsfrist ausscheiden.

Der Stellenabbau bei H&M über Aufhebungsverträge ist daher zwar auf den ersten Blick teuer; auf den zweiten Blick hat das Unternehmen aber nur Vorteile.

Ablehnung des Angebots = betriebsbedingte Kündigung?

Das ist leichter gesagt als getan.

Man stelle sich mal folgendes Szenario vor:

Alle 800 Betroffenen sagen „Nein“ zum Aufhebungsangebot und leisten keine Unterschrift.

Die Geschäftsleitung wird dann sicherlich auf anderen Wegen versuchen müssen, den Stellenabbau bei H&M umzusetzen. Sonst könnte es Probleme mit dem Konzernvorstand geben.

Daher würden sicherlich erstmal betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden, 800 an der Zahl.

Die entscheidende Frage ist dabei nur: Sind diese auch wirksam?

Wenn alle 800 Gekündigten den allgemeinen Kündigungsschutz genießen (→nach 6 Monaten Beschäftigung in einem Betrieb mit mehr als 10 Arbeitnehmern) und vor dem Arbeitsgericht eine Kündigungsschutzklage erheben, müsste H&M in 800 Prozessen beweisen, dass es einen Grund für die Kündigung gibt. Hierzu muss H&M in jedem Verfahren detailliert ausführen, warum der jeweilige Arbeitsplatz entfallen ist und es keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr im Unternehmen gibt. Wenn es sich nicht gerade um eine Betriebsschließung handelt sondern die Personaldecke nur etwas ausgedünnt werden soll, ist das ein extrem schwieriges Unterfangen.

Zudem würde das Arbeitsgericht prüfen, ob H&M eine ordnungsgemäße Sozialauswahl durchgeführt hat. Bei der Auswahl der Beschäftigten muss H&M sich an den Kriterien Betriebszugehörigkeit, Alter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung orientieren. Das erschwert das Ganze noch enorm.

Wie sieht es bei Müttern, Elternzeit und Schwerbehinderung aus?

Ein weiteres Problem für H&M tritt dann auf, wenn Beschäftigte sogenannten Sonderkündigungsschutz genießen. Diesen Schutz haben z.B. Schwerbehinderte, Mütter vor und nach der Geburt sowie Beschäftigte in Elternzeit.

Der Sonderkündigungsschutz ist für die genannten Gruppen nur unterschiedlich ausgestaltet:

Sonderkündigungsschutz für Schwerbehinderte

Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 können nur nach vorheriger Zustimmung des Integrationsamts gekündigt werden, so regelt es § 168 SGB IX. Dasselbe gilt für Schwerbehinderte mit einem GdB von 30, die von der Bundesagentur für Arbeit gleichgestellt sind. Der Arbeitgeber muss zuerst die Zustimmung der Behörde beantragen. Die Zustimmung ist aber in der Regel von der Behörde zu erteilen, außer wenn die geplante Kündigung im Zusammenhang mit der Schwerbehinderung steht.

Sonderkündigungsschutz für Mütter und Mitarbeiter in Elternzeit

Für werdende Mütter ab der Schwangerschaft und 4 Monate nach der Entbindung (§ 13 MuSchG) sowie für alle Mitarbeiter in Elternzeit (§ 18 BEEG) gilt ein gesetzliches Kündigungsverbot. Die Kündigung ist nur dann zulässig, wenn sie von der Arbeitsschutzbehörde als zulässig erklärt wird. Diese Zustimmung wird aber nur in absoluten Ausnahmefällen erteilt. Solche Ausnahmefälle sind z.B. schwere Pflichtverletzungen, die zu einer verhaltensbedingten Kündigung berechtigen.

Möchte der Arbeitgeber aber eine betriebsbedingte Kündigung aussprechen, erhält er in der Regel nur dann die Zustimmung, wenn der Betrieb komplett geschlossen wird. Sollen nur vereinzelte Stellen in der Filiale abgebaut werden, wird der Antrag keinen Erfolg haben.

Und die Langzeiterkrankten?

Es gibt keine arbeitsrechtliche Definition der Langzeiterkrankung. Üblicherweise sind aber damit Beschäftigte gemeint, die bereits länger als 6 Wochen arbeitsunfähig erkrankt sind.

Ein besonderer Kündigungsschutz wegen einer Langzeiterkrankung besteht nicht.

Allerdings ist eine Kündigung von erkrankten Beschäftigten durch H&M alles andere als einfach, wenn diese den allgemeinen Kündigungsschutz genießen, also länger als 6 Monate im Betrieb mit mehr als 10 Arbeitnehmern beschäftigt sind. H&M müsste hier in einem Prozess vor dem Arbeitsgericht erstmal eine negative Prognose aufstellen und darlegen, dass auch in Zukunft mit einer (längeren) Krankheit zu rechnen ist. Allein das ist schon eine Herausforderung. Zudem muss H&M ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchführen, was mit einem immensen Aufwand verbunden ist.

Wie verhält man sich richtig?

Bei Angebot eines Aufhebungsvertrags muss man genau prüfen, ob die angebotenen Konditionen stimmen. Pauschale Aussagen, ob ein Aufhebungsvertrag sinnvoll ist oder nicht, kann man niemals treffen.

So wird z.B. ein Mitarbeiter im mittleren Alter mit sicherer Anschlussbeschäftigung eher die Abfindung in Höhe von 1,0 Gehältern pro Beschäftigungsjahr nehmen und sich schnell verabschieden.

Alleinerziehende Mutter oder ältere Beschäftigte mit schlechten Aussichten auf dem Arbeitsmarkt müssen aber schon genauer mit den Risiken kalkulieren:

Die Abfindung ist voll zu versteuern. Die steuerlichen Abzüge von dem Bruttobetrag können dabei sehr hoch ausfallen.  Zudem ist auch eine mögliche Sperrzeit beim Bezug von Arbeitslosengeld zu beachten.

Je nach Fallgestaltung kann man hier versuchen, höher zu verhandeln oder man lässt es auf eine gerichtliche Auseinandersetzung nach einer betriebsbedingten Kündigung ankommen.

Wenn Beschäftigte unter Sonderkündigungsschutz fallen (s.o.) haben sie dabei meistens einen sehr guten Hebel,  um den „Preis“ für ein freiwilliges Ausscheiden deutlich zu erhöhen.

Fazit:

  • H&M ist auf Freiwillige angewiesen, die einen Aufhebungsvertrag unterschreiben.
  • Eine betriebsbedingte Kündigung ist nicht ohne Weiteres möglich. Es kann eine Kündigungsschutzklage erhoben werden und H&M muss Kündigungsgründe nachweisen.
  • Besonders schwer erweist sich die Kündigung von Müttern und Schwerbehinderten.
  • Die Chancen auf eine Erhöhung der Abfindungssumme oder Erhalt des Arbeitsplatzes stehen in diesen Fällen gut.

 

 

Autor dieses Beitrags:

RA Christian Michels

Anwalt Arbeitsrecht

 

Ich berate Sie als Fachanwalt für Arbeitsrecht in folgenden Bereichen:

  • Kündigungsschutz
  • Fristgerechte und fristlose Kündigung
  • Betriebsbedingte / krankheitsbedingte Kündigung
  • Aufhebungsvertrag
  • Kündigung / Abberufung von Geschäftsführern
  • Sozialplan und Interessenausgleich

Rufen Sie unverbindlich an:

06131-55 37 855

81 / 100

Termin vereinbaren:

Vereinbaren Sie jetzt einen Termin für eine Beratung. Wir klären, welche Handlungsoptionen Sie haben und ob wir Ihnen helfen können.

Telefon: 06131-55 37 855

Vertrauen Sie auf zertifizierte Qualität.

Anwaltssuche ist Vertrauenssache.

Wir sind von der Bundesrechtsanwaltskammer zertifiziert und berechtigt, das Qualitätssiegel für ständige Fortbildungen zu führen. Dies garantiert Ihnen anwaltliche Kompetenz auf höchstem Niveau.