Urt. v. 27.06.2024 – C-284/23
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) und das Arbeitsgericht (ArbG) Mainz stellten fest, dass eine zweiwöchige Frist für die verspätete Klageeinreichung für schwangere Arbeitnehmerinnen, die erst nach Ablauf der Kündigungsfrist von ihrer Schwangerschaft erfahren, möglicherweise zu kurz ist.
Der Fall: Unerkannte Schwangerschaft und Kündigung
Eine Arbeitnehmerin wurde während ihrer Probezeit gekündigt und erfuhr erst nach Ablauf der Klagefrist von ihrer Schwangerschaft. Obwohl sie die Frist für eine Kündigungsschutzklage versäumt hatte, stellte sich die Frage, ob die europäische Mutterschutz-Richtlinie eine längere Frist erfordert. Das Arbeitsgericht Mainz legte diese Frage dem EuGH vor (ArbG Mainz, Beschluss vom 24.04.2023, 4 Ca 1424/22).
Die bisherige Rechtslage
Nach § 17 Abs. 1 MuSchG (Mutterschutzgesetz) ist die Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin grundsätzlich unwirksam. Dennoch muss innerhalb von 3 Wochen eine Kündigungsschutzklage eingereicht werden. Wird die Klagefrist von drei Wochen nach Zugang der Kündigung (§ 4 KSchG) versäumt, kann immer noch eine nachträgliche Zulassung innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis der Schwangerschaft beantragt werden (§ 5 KSchG).
Die Entscheidung des EuGH: Zweiwochenfrist im Visier
Reicht diese Frist aus? Der EuGH hat zugunsten der schwangeren Arbeitnehmerin entschieden: Die Zwei-Wochen-Frist sei nicht ausreichend, wenn sie die effektive Durchsetzung der Rechte der Schwangeren behindert. Insbesondere am Anfang einer Schwangerschaft, wenn die Umstände unklar sind, könnte die Frist zu kurz sein, um die Rechte angemessen wahrzunehmen.
Die praktischen Auswirkungen
Gleichwohl der Fall selten vorkommt, könnte in solchen Fällen die Frist zur Klageerhebung verlängert werden, um den Schutz der Schwangeren zu gewährleisten. Das Arbeitsgericht wird dann immer im Einzelfall prüfen müssen, ob die bisherige Frist von zwei Wochen ausreicht oder zu kurz ist.
Fazit: Stärkung des Mutterschutzes
Der EuGH betont die Wichtigkeit eines effektiven Rechtsschutzes für schwangere Frauen und stellt die bisherigen Fristenregelungen infrage. Arbeitgebern droht das Risiko, dass Kündigungen im Nachhinein unwirksam werden könnten, wenn sich herausstellt, dass eine schwangere Mitarbeiterin die Fristen versäumt hat. Ein proaktiver Umgang mit der Situation könnte dazu beitragen, rechtliche Konflikte zu vermeiden.
Autor dieses Beitrags:
RA Christian Michels

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