Die zweiwöchige Ausschlussfrist bei außerordentlicher Kündigung

Wann beginnt die zweiwöchige Ausschlussfrist bei außerordentlicher Kündigung? 

Eine außerordentliche Kündigung hat sehr hohe Voraussetzungen.  

Zum einen darf sie nur aus wichtigem Grund erfolgen, wenn es für den Kündigenden unzumutbar ist, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen. Zu den wichtigen Gründen zählen z.B. beharrliche Arbeitsverweigerungen, Straftaten oder geschäftsschädigende Äußerungen gegen den Arbeitgeber. 

Zum Anderen muss eine außerordentliche Kündigung spätestens zwei Wochen, nachdem der kündigende Vertragspartner Kenntnis von den Kündigungsgründen hat, erfolgen. Das ergibt sich aus § 626 Abs. 2 BGB. 

In der Praxis ergeben sich immer wieder Probleme bei der Frage, wann diese Frist genau zu laufen beginnt. Denn der kündigende Arbeitgeber ist im Streitfall voll darlegungs- und beweisbelastet in Bezug auf die Einhaltung der Frist. Viele außerordentliche Kündigungen scheitern allein daran.  

Das BAG (Urteil v. 05.05.2022 – Az.: 2 AZR 483/ 21) musste sich nun mit folgender Frage beschäftigen:  

Wann beginnt die zweiwöchige Ausschlussfrist, wenn im Rahmen von komplexen Compliance- Untersuchungen arbeitsvertragliche Pflichtverletzungen bzw. Straftaten aufgedeckt werden? 

Der Fall:  

Die Parteien stritten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung, die die Arbeitgeberin gegenüber dem tariflich unkündbaren Kläger nach Abschluss einer unternehmensinternen, etwa 18 Monate andauernden Compliance-Untersuchung ausgesprochen hatte. Das LAG Baden-Württemberg (Urteil v. 03.11.2021 – 10 Sa 7/ 21) hatte die Berufung der Arbeitgeberin zurückgewiesen, da die Frist des § 626 Abs. 2 BGB abgelaufen sei. Das entscheidende Argument für das LAG Baden-Württemberg: Der kündigungsberechtigte Geschäftsführer habe die Ermittlungen vollständig abgegeben, ohne sich regelmäßig über relevante Zwischenstände informieren zu lassen. Aufgrund dieses Organisationsverschuldens müsse er sich die Kenntnis des Leiters der Compliance-Abteilung zurechnen lassen! 

Das BAG allerdings ließ dies nicht gelten und hob die Entscheidung des LAG auf.  

Die Entscheidung des BAG 

Die ausformulierten Urteilsgründe des BAG vom 05.05.2022 liegen bislang nicht vor – die Kernaussagen sind jedoch bereits klar: 

  • Für den Fristbeginn des § 626 Abs. 2 BGB kommt es auf die positive Kenntnis des Kündigungsberechtigten an (z.B. Personalleiter, Geschäftsführer). 
  • Der Arbeitgeber kann sich dann nicht auf die Wahrung der Frist berufen, wenn er es zielgerichtet verhindert hat, dass eine für ihn kündigungsberechtigte Person bereits zu einem früheren Zeitpunkt Kenntnis von dem für die Kündigung maßgebenden Tatsachen erlangte. 
  • Nicht schon jede Unkenntnis aufgrund eines Organisationsverschuldens begründet eine unzulässige Rechtsausübung, denn grob fahrlässige Unkenntnis löst die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht aus. 
  • Die Beauftragung mit der Ermittlung möglicher Pflichtverstöße und die Einrichtung einer Abteilung für Compliance ist sachgerecht. 

Fazit 

Dem BAG ist zuzustimmen. Es hat erkannt, dass die Aufklärung umfangreicher Compliance-Sachverhalte mehr Zeit erfordert, um nicht vorschnell über das Schicksal eines Arbeitsverhältnisses zu urteilen. 

Selbst wenn es im Rahmen der Ermittlungen zu einem Organisationsverschulden des Arbeitgebers kommen sollte, wirkt dies nicht fristauslösend. Dies gilt selbst dann, wenn sich der Kündigungsberechtigte nicht regelmäßig über den Stand der Ermittlungen in Kenntnis setzen lässt. § 626 Abs. 2 BGB fordert nämlich die positive Kenntnis des Kündigungsberechtigten von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen. 

Die Grenze zum Rechtsmissbrauch ist erst dann überschritten, wenn der Kündigungsberechtigte die mit der Aufklärung betraute Compliance-Abteilung ausdrücklich anweist, ihm bereits aufgeklärte, fristauslösende Sachverhalte vorzuenthalten.  

Diese Grundsätze des BAG dürften auch für das Führen der Ermittlungen durch Dritte, z.B. durch Rechtsanwälte, gelten. 

 

 

 

 

 

Autor dieses Beitrags:

RA Christian Michels

Anwalt Arbeitsrecht

 

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