Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige

Massenentlassungsanzeige – neue Stolperfalle? 

BAG Urteil vom 19.05.2022 (2 AZR 467/21) 

  

Das Bundesarbeitsgericht hat in einem aktuellen Urteil darüber zu entscheiden, ob das Fehlen von sog. Soll-Angaben nach § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG zur Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige und damit der Kündigung (-en) führt. 

Im Sommer 2021 hatte das LAG Hessen für Aufsehen gesorgt, indem es die Soll-Angaben zu Pflichtangaben umwidmete. (Urt. v. 25.06.21 – 14 Sa 1225/20). Die fehlenden Soll-Angaben in der Massenentlassungsanzeige führe zu ihrer Unwirksamkeit. Grund dafür sei eine unionsrechtskonforme Auslegung, so das LAG Hessen. 

Hintergrund und gesetzliche Regelung 

  • 17 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) verpflichtet Arbeitgeber dazu, gegenüber der Agentur für Arbeit eine sog. Massenentlassungsanzeige zu erstatten, bevor innerhalb von 30 Kalendertagen eine bestimmte Zahl an Arbeitnehmern entlassen wird. 

Die Schwellenwerte, ab denen eine Massenentlassungsanzeige zu erstatten ist, sind abhängig von der Zahl der regelmäßig im Betrieb beschäftigten Mitarbeiter: 

Betriebsgröße  21 bis 59 Arbeitnehmer  60 bis 499 Arbeitnehmer  500 und mehr Arbeitnehmer 
Maßgeblicher Schwellenwert  Entlassung von mind. 6 Arbeitnehmer  Entlassung von mind. 10% der Arbeitnehmer oder mind. 26 Arbeitnehmer  Entlassung von mind. 30 Arbeitnehmer 

 

Für die gegenüber der Agentur für Arbeit zu erstattende Massenentlassungsanzeige, hat der Arbeitgeber folgende Angaben zu machen (sog. „Muss-Angaben“): 

  • Name des Arbeitgebers sowie die Art und den Sitz des Betriebes, 
  • Gründe für die geplanten Entlassungen, 
  • Zahl und Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Mitarbeiter, 
  • Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen, 
  • Kriterien, die für die Auswahl der zu entlassenden Mitarbeiter vorgesehen sind. 

Darüber hinaus soll die Massenentlassungsanzeige im Einvernehmen mit dem Betriebsrat Angaben über das Geschlecht, das Alter, den Beruf und die Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Mitarbeiter enthalten (sog. „Soll-Angaben“). 

Eine unterlassene oder fehlerhafte Massenentlassungsanzeige hat automatisch die Unwirksamkeit der Kündigungen zur Folge.   

Um diesen Fall ging es: 

Die Beklagte beschäftigte in ihrem Betrieb regelmäßig mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmer. Vom 18. Juni bis zum 18. Juli 2019 kündigte sie insgesamt 17 Arbeitsverhältnisse. Die Klägerin hat mit ihrer Klage u.a. geltend gemacht, dass die ihr am 18. Juni 2019 zugegangene Kündigung nach § 134 BGB nichtig sei, da die Beklagte nicht zuvor gegenüber der Agentur für Arbeit die Soll-Angaben gemäß § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG gemacht habe. 

Die Vorinstanzen haben die Massenentlassungsanzeige der Beklagten für unwirksam gehalten und der Kündigungsschutzklage somit stattgegeben. 

Die Revision der Beklagten führte allerdings zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückweisung an das Landesarbeitsgericht. 

Fragwürdige Massenentlassung  

Ob das Arbeitsverhältnis der Klägerin im Rahmen einer Massenentlassung gekündigt wurde, lässt sich nicht beurteilen. Die Beklagte müsste nach dem KSchG mehr als fünf Arbeitnehmer innerhalb von 30 Kalendertagen entlassen haben. Allerdings umfasst der besagte Zeitraum vom 18. Juni bis zum 18. Juli 2019 – 31 Kalendertage. 

Hinzu kommt die Unklarheit, wie viele Kündigungen in diesem Zeitraum denn überhaupt zugegangen sind. 

BAG: Soll-Angaben bleiben Soll-Angaben 

Das BAG sah dies anders und stellte klar, dass das Fehlen der Soll-Angaben nicht zur Unwirksamkeit einer Massenentlassungsanzeige des Arbeitgebers gegenüber der Agentur für Arbeit führt. Dies entspreche dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers. 

Die streitbefangene Kündigung ist also nicht nach § 134 BGB nichtig.  

Praxisfolge: Erhebliche Erleichterungen für Arbeitgeber. 

So sind Soll-Angaben, wie bspw. die „Staatsangehörigkeit“, oft nicht bekannt und mussten bis jetzt vorsorglich erhoben werden. Dies ist nun nicht mehr zwingend erforderlich – sondern „soll“ eben nur erfolgen. 

 

Autor dieses Beitrags:

RA Christian Michels

Anwalt Arbeitsrecht

 

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