BAG: Wann beginnt eine Schwangerschaft?

Urteil vom 24.11.2022 – Az. 2 AZR 11/22 

In Deutschland gewährleistet das Mutterschutzgesetz schwangeren Arbeitnehmerinnen einen besonderen Schutz vor Kündigungen während der Schwangerschaft und nach der Entbindung. Ein zentrales Element dieses Schutzes ist das Kündigungsverbot gemäß § 17 Abs. 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG). 

Nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 MuSchG ist eine Kündigung während der Schwangerschaft unzulässig  

Dabei kommt es auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung an.  

Problematisch ist in vielen Fällen jedoch der genaue Zeitpunkt des Schwangerschaftsbeginns, weil der Zeitpunkt der Empfängnis nicht bekannt ist bzw. nicht (nachträglich) ermittelt werden kann. 

Der Fall: Schwanger am Tag der Kündigungserklärung? 

Ausgangspunkt der Entscheidung des BAG war ein Fall aus dem Jahr 2020. Die Parteien stritten über den unverzüglichen Zugang der Mitteilung über das Bestehen einer Schwangerschaft sowie über das Eingreifen des besonderen Kündigungsschutzes nach § 17 MuSchG. Das Arbeitsverhältnis begann am 15.10.2020. Mit Schreiben vom 06.11.2020, zugegangen am Folgetag, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis. Die Klägerin wendete sich mit Kündigungsschutzklage vom 12.11.2020 gegen diese Kündigung und teilte mit anwaltlichem Schreiben an das Arbeitsgericht vom 02.12.2020 mit, bereits in der sechsten Woche schwanger zu sein. Hierzu legte sie eine ärztliche Bescheinigung vom 26.11.2020 vor, aus der sich als voraussichtlicher Geburtstermin der 05.08.2021 ergab. 

Worum geht es? 

Es geht um die Frage, ab wann der besondere Kündigungsschutz für schwangere Frauen besteht. Das Landesarbeitsgericht war von 266 Tagen -rückgerechnet von dem voraussichtlichen Entbindungstermin- ausgegangen. Dies würde zu dem Ergebnis führen, dass rein rechnerisch zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung kein Sonderkündigungsschutz bestand. 

Gut zu wissen: Sofern die Empfängnis, also der tatsächliche Schwangerschaftsbeginn nachweisbar ist, kommt es auf die Vermutungsregel, d.h. die 280-Tage-Rechnung, nicht an. 

Das Urteil des BAG: Die Revision der Arbeitnehmerin hatte Erfolg 

Das BAG bestätigte, an seiner ständigen Rechtsprechung zur Bestimmung des Zeitpunkts des Beginns der Schwangerschaft festzuhalten. Der Senat legt die angewendete Berechnungsmethode zur Rückrechnung von 280 Tagen ab prognostiziertem Entbindungstermin dar und begründet diese mit dem verfassungsrechtlichen Schutzauftrag sowie den unionsrechtlichen Vorgaben. 

Zudem: Eine Frau, die von ihrer Schwangerschaft erfährt, hat dies dem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen, also ohne schuldhaftes Zögern. Das Untätigsein der Arbeitnehmerin beim Vorliegen einer bloßen, mehr oder weniger vagen Schwangerschaftsvermutung reicht aber nicht aus, ihr ein schuldhaftes Verhalten, mit der Folge des Verlusts des besonderen Kündigungsschutzes, vorzuwerfen.  

 

Autor dieses Beitrags:

RA Christian Michels

Anwalt Arbeitsrecht

 

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